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Hans Christian Andersen – Collagen | Scherenschnitte | Zeichnungen
Hans Christian Andersen – ein Däne und ein Europäer. Seine Märchen konnte er nur in Dänemark schreiben, aber gelesen und erzählt werden sie weltweit. Die aktuelle Ausstellung widmet sich dem vielfältigen künstlerischen Schaffen dieses großen Mannes. Das Ziel ist es, Hans Christian Andersen nicht nur als Märchendichter zu präsentieren, sondern auch seine unbekannten Seiten vorzustellen.
Andersen war ein universeller Kunstschaffender und Lebenskünstler. Mit seinen Märchen wurde er berühmt, er war aber Zeit seines Lebens auch bildender Künstler. Er vereinte in sich viele Talente und schuf neben seinen Schriften kontinuierlich Zeichnungen, Collagen, Bilderbücher und Scherenschnitte.
Andersens bildnerische Vielfalt und seine kreative Ungezwungenheit im Umgang mit den schönen Künsten werden in der Ausstellung präsentiert. Sie enthält eine Reihe der schönsten und ausdrucksvollsten Scherenschnitte, Bilderbücher, Zeichnungen und Collagen aus dem schöpferischen Fundus Andersens.
Die Sammlung wurde im Zuge des Jubiläumsjahres 2005 anlässlich des 200. Geburtstages des Künstlers von MÄRCHENLAND und der Königlich Dänischen Botschaft in Berlin mit Unterstützung des Museums Odense und des Hans Christian Andersen Fonds zusammengestellt. Seitdem wurde sie in mehreren Ausstellungen dem öffentlichen Publikum gezeigt: im Felleshus der nordischen Botschaften in Berlin, auf Schloss Corvey bei Höxter und auf der Albrechtsburg in Meißen.
DER WANDSCHIRM
„… man sagt, das Ganze sei wie ein großes buntes Märchen.“
H.C. Andersen über den Wandschirm an Mimi Holstein, März 1874
Collagen sind eine Kombination von kleineren Drucken und Bildausschnitten aus den unterschiedlichsten
Materialien. Sie entstanden bereits im 19. Jahrhundert, nicht zuletzt durch Andersens Hand.In den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts nahmen die „Papierpoesien“, wie Andersen seine Collagen und Scherenschnitte nannte, einen immer bedeutenderen Raum in seinem Werk ein. Zu den beeindruckendsten Arbeiten gehört der Wandschirm aus den Jahren 1873 –74. Dieser ist über und über mit Bildern beklebt und stand ursprünglich vor Andersens Bett, verbarg es und bildete eine Trennwand im Raum.
Der Wandschirm besteht aus acht Tafeln, von denen jede einem Land oder einer Idee gewidmet ist: der Kindheit, dem Theater, Dänemark, Schweden-Norwegen, Deutschland-Österreich, Frankreich, England und dem Orient. Allen Tafeln gemeinsam ist die horizontale Linie mit den vornehmsten Personen und prachtvollsten Gebäuden und Monumenten zuoberst. Darunter folgen die bedeutendsten Dichter, Denker und Staatsmänner des betreffenden Landes in chronologischer Reihenfolge und ganz unten in Kellern und Höhlen sind die Anonymen und die Armen, die Betrunkenen und die Verbrecher.
Die Idee zu dieser großen Scherenarbeit hatte Andersen von der Gräfin Wanda Danneskjold, die ihm einen kleineren, selbstverfertigten Wandschirm geschenkt hatte und zu dem Andersen in seinem Tagebuch schrieb: „… mit farbigen Bildern auf der einen und unkolorierten auf der andern Seite, ausgeschnitten, ineinander geklebt, wie ein einziges Bild verschmelzend und doch unendlich viele, glitten sie ineinander wie ein sonderbarer Traum, alles mit Geschmack und Phantasie geordnet, dieses Geschenk freute mich ganz besonders.“
Andersens großer Wandschirm feiert die Kulturen, Landschaften und Menschen, die sein Leben prägten und ist sein Versuch, die gesamte Kulturlandschaft, durch die sein Leben ihn geführt hatte, zum Ausdruck zu bringen.
DIE FEDERZEICHUNGEN
„Übrigens bin ich ein leidenschaftlicher Skizzenmacher geworden, meine Mappe ist voll kleiner Ansichten aus Italien, gern würde ich das ganze Land in die Tasche stecken.“
H. C. Andersen an Christian Voigt, 1833
Ebenso stark wie der Drang zum Schreiben und zum Reisen war auch Andersens Drang zum Zeichnen.
Auf Papier, das er auf die Größe seiner Jackentasche zugeschnitten hatte, zeichnete Andersen
während seiner Reisen durch Europa. Er zeichnete mit Bleistift die Szenen, die sein Interesse
weckten, und wenn er von Ausflügen und Spaziergängen des Tages nach Hause kam, zog er die
Skizzen mit Feder und Tinte nach. Federzeichnungen waren Andersens bevorzugte Ausdrucksform
als bildender Künstler in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, und etwa dreihundert davon haben sich erhalten.Der größte Teil seiner Zeichnungen stammt von seinen zwei großen Reisen: von der „Bildungsreise“ nach Italien 1833/34 und der „Orientreise“ nach Griechenland und der Türkei 1840/41. Die künstlerischen Absichten von Andersens Zeichnungen wurden lange zu Unrecht bagatellisiert. In einem Reisebrief schrieb Andersen: „… seit meiner ersten Ankunft in Rom und seit ich dort meiner Skizzen wegen gelobt wurde – denn gelobt muss ich werden, um mich wohl zu befinden – habe ich bei jeder Gelegenheit gezeichnet.“
Vieles deutet darauf hin, dass Andersen nach seiner Italienreise die zahlreichen Skizzen von Landschaften und Architektur sehr aktiv für seine Arbeit am Roman Der Improvisator (1835) benutzt hat. Was charakterisiert aber die Zeichnungen? Kjeld Heltoft, der sich mit den Zeichnungen auseinandergesetzt hat, schreibt: „Das allerinnerste Geheimnis der Zeichnungen ist schwer zu definieren, obgleich immer wieder danach gesucht werden wird; das Nächstinnerste ist die Entsprechung zwischen dem ausdrucksvollen Notizhaften – der Hier-und-Jetzt-Stimmung – und dem Versuch, das Beständige zu schildern, das sich trotz allem so lange gehalten hat. Sie alle strahlen ein Gefühl von déjà vu aus.“
DIE SCHERENSCHNITTE
„… Schneiden ist der Beginn der Dichtkunst …“
H.C. Andersen in einem Brief, Juli 1867
Es war sowohl für Kinder als auch für Erwachsene unterhaltsam, dass Andersen mit seiner Schere,
die er immer bei sich trug, schnippelte. Er war als Papier-Schneider äußerst populär, und viele der
Scherenschnitte sind noch zu seinen Lebzeiten zerteilt und an Verehrer als Souvenirs verschenkt
worden. Während der Dichter schnitt, erzählte er gern eine phantastische Geschichte, die erst
endete, wenn der Scherenschnitt vollbracht war und entfaltet werden konnte. Oft unterstrich das
papierne Ergebnis die Pointe oder das Motiv der erzählten Geschichte.Die überraschenden Formen und ungewöhnlichen Figuren, die seiner Schere mit aller Plötzlichkeit entsprangen, waren Ausdruck für Andersens kraftvolle Phantasie und kreative Energie.
Mit der Schere fabrizierte der kinderfreundliche Dichter auch Spielzeug für die Kinderzimmer: Ankleidepuppen, Figuren, die sich bewegen konnten und sogenannte Mühlenmänner, die man aufstellen oder dekorativ ins Fenster hängen konnte. Seine alte Liebe zum Theater erschien wieder in ganzen Szenen mit Tänzern und Ballerinas, mit Vorhängen, Kulissen und Orchestergraben.
Heute existieren noch ungefähr 800 Scherenschnitte von Andersen, die hauptsächlich aus den letzten zwanzig Jahren seines Lebens stammen. Zu den Motiven gehören Schwäne, Tänzer und Tänzerinnen, Schmetterlinge, Herzen, Pierrots, Kobolde, Luftballons etc. Diese unterhaltsamen, dekorativen und sehr eleganten Scherenschnitte, die Andersen gern in geselligen Kreisen herstellte, bilden eine verfeinerte Märchenwelt aus wiedererkennbaren Motiven. Doch diese liebliche und wohlgefällige Welt wird von einer ganz anderen, schweren Bildersprache aufgebrochen und durch Teufelsfiguren, Meerjungfrauen, groteske Medusenköpfe, Hexen und Trolle erweitert. Es sind eigenartige Wesen, weder Mensch noch Tier, die fremd wirken und ihre Wurzeln in anderen Tiefen der Phantasie haben.
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„Das Leben ist das schönste Märchen, denn darin kommen wir selber vor.“
Hans Christian Andersen wurde am 2. April 1805 in Odense auf Fünen in Dänemark geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen, als Sohn eines Schuhmachers und einer Waschfrau auf. Er träumte davon, am Königlichen Theater in Kopenhagen berühmt zu werden und brach 1819 als Vierzehnjähriger in die Hauptstadt auf. Mit einer besonderen Mischung aus Naivität, Selbstbewusstsein und Hartnäckigkeit verschaffte er sich Zugang zu einer Reihe einflussreicher Kopenhagener Familien, denen er seine Gedichte vortrug, Passagen aus Opern rezitierte und tanzte. Sie unterstützten das junge, mittellose Talent finanziell und sorgten dafür, dass er eine ordentliche Schulbildung bekam. Sein Leben wurde von Reisen durch ganz Europa geprägt – er war monatelang unterwegs in Deutschland, Südeuropa, Frankreich, England und Skandinavien und gelangte sogar nach Nordafrika und in die Türkei. Sein Leben und Werk waren besonders von der künstlerischen und persönlichen Verbundenheit zu Deutschland – seinem sogenannten „zweiten Vaterland“ – geprägt.
Die erste Auslandsreise im Jahre 1831 war eine Entdeckungsreise durch das Deutschland der Romantik. Im Verlauf dieser Reise besuchte er Berlin und Dresden, wo er vom großen Romantiker Ludwig Tieck den „Dichterkuss“ bekam. Der große Dichter küsste Andersen zum Abschied auf die Stirn und ermutigte ihn damit, den Weg der Poesie weiter zu verfolgen. Andersens mehrfache Aufenthalte in Deutschland der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts machten ihn schnell bekannt. Er knüpfte Kontakte und schloss Bekanntschaften mit berühmten Persönlichkeiten, Denkern und Dichtern. Er traf Adelbert von Chamisso, der ihn in Berlin in die literarische Gesellschaft einführte sowie den Philosophen Friedrich W. Schelling, Bettina von Arnim, die Brüder Grimm und Alexander von Humboldt.
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DIE PRINZESSIN AUF DER ERBSE
Kunstmärchen, H. C. Andersen, um 1835-1837Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten. Aber das sollte eine wirkliche Prinzessin sein. Da reiste er in der ganzen Welt herum, um eine solche zu finden, aber überall fehlte etwas. Prinzessinnen gab es genug, aber ob es wirkliche Prinzessinnen waren, konnte er nie herausfinden. Immer war da etwas, was nicht ganz in Ordnung war. Da kam er wieder nach Hause und war ganz traurig, denn er wollte doch gern eine wirkliche Prinzessin haben.
Eines Abends zog ein furchtbares Wetter auf; es blitzte und donnerte, der Regen stürzte herab, und es war ganz entsetzlich. Da klopfte es an das Stadttor, und der alte König ging hin, um aufzumachen. Es war eine Prinzessin, die draußen vor dem Tor stand. Aber wie sah sie vom Regen und dem bösen Wetter aus! Das Wasser lief ihr von den Haaren und Kleidern herab, lief in die Schnäbel der Schuhe hinein und zum Absatz wieder hinaus. Sie sagte, dass sie eine wirkliche Prinzessin wäre.
„Ja, das werden wir schon erfahren!“, dachte die alte Königin, aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer hinein, nahm alles Bettzeug ab und legte eine Erbse auf den Boden der Bettstelle. Dann nahm sie zwanzig Matratzen, legte sie auf die Erbse und dann noch zwanzig Eiderdaunendecken oben auf die Matratzen. Hier sollte nun die Prinzessin die ganze Nacht über liegen.
Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie geschlafen hätte. „Oh, entsetzlich schlecht!“, sagte die Prinzessin. „Ich habe fast die ganze Nacht kein Auge geschlossen! Gott weiß, was in meinem Bett gewesen ist. Ich habe auf etwas Hartem gelegen, so dass ich am ganzen Körper ganz braun und blau bin! Es ist ganz entsetzlich!“ Daran konnte man sehen, dass sie eine wirkliche Prinzessin war, da sie durch die zwanzig Matratzen und die zwanzig Eiderdaunendecken die Erbse gespürt hatte. So feinfühlig konnte niemand sein außer einer echten Prinzessin.
Da nahm sie der Prinz zur Frau, denn nun wusste er, dass er eine wirkliche Prinzessin gefunden hatte. Und die Erbse kam auf die Kunstkammer, wo sie noch zu sehen ist, wenn sie niemand gestohlen hat. – Seht, das war eine wirkliche Geschichte!